Frei nach Pinocchio. Der ultimative Ratgeber, wie man sich einen Koch backt!

 ………………………………wenn man nicht schnitzen
kann!

Liebe Schlemmerlinge,

in einer Zeit, in der es immer weniger Köche und immer mehr
schlechtes Essen gibt, sucht so mancher von uns nach einem Ausweg aus dieser
Misere.

Auf dem freien Markt
sind so gut wie keine Köche zu finden und so gehen unserer Zunft langsam aber
sicher die Optionen aus.

Aber da es auch nicht hilft, Trübsal zu blasen oder den Kopf
in den Sand zu stecken, gibt’s auch hier eine Lösung!

Liebe Kollegen, wie
Meister Geppeto seinen Pinnoccio aus Holz geschnitzt hat, so können auch wir
uns unsere Kollegen selbst machen, sozusagen backen.

Und wie immer bei uns Köchen gibt’s dafür auch ein Rezept!

Natürlich ist wie bei jedem Rezept ne Menge Übung nötig und
manchmal wird’s nicht klappen, doch am Ende lohnt es sich, versprochen!

Wenn jetzt einige schon angefangen haben, vor lauter Verzweiflung, an einem Holzklotz herumzuschnitzen und Euren neuen Kollegen mit
einer Autobatterie zum Leben erwecken wolltet, wart Ihr ein bisschen voreilig
und solltet nochmal das Messer weglegen.

Hallo, kein Freestyle! Erstmal das Rezept lesen! Ihr seid nicht
Dr. Frankenstein.

Also, zuerst einmal
die Zutaten:

Als Erstes brauchen wir ca. 60-80 Kg Rohmaterial, sprich, einen
Menschen jung oder alt, der uns unterstützen will.

Wenn dieser sogar noch den Beruf erlernen will, umso besser,
ist aber von Fall zu Fall verschieden.

Die weiteren Zutaten sind: Verständnis, Wille, Respekt und
viel Einfühlungsvermögen.

Dabei ist zu beachten, dass wir unbedingt all diese Zutaten in
gleichem Maß benötigen, denn sonst wird es nichts.

Zuviel Einfühlungsvermögen und er geht auf und fällt wieder
zusammen, wenn er auf Probleme trifft, wie ein Hefeteig. Zu wenig und er geht
gar nicht auf!

Ihr seht, sehr schwieriges Ausgangsmaterial, aber doch gut
formbar.

Und noch etwas ist zu bedenken, das Rohmaterial ist noch
kein fertiges Endprodukt nur weil es eine weiße Jacke anhat! Also versucht das
zu verstehen, sonst verschreckt Ihr es und dann ist die Hauptzutat sofort
wieder draußen bei der Tür.

Zubereitung:

Ich höre schon die kritischen Kollegen (Aber man findet ja
nix gescheidts, Du kannst guad reden usw.), spart Euch die Mails an mich.
Solange Ihr noch nicht an allen Schulen, auf dem Landratsamt, Arbeitsamt, Jobbörsen und in den
Flüchtlingsheimen wart, um Euren neuen Kollegen zu finden und wirklich alles getan
habt, um jemanden zu bekommen, solltet Ihr vielleicht weiterlesen.

Eine unserer größten Tugenden als Köche ist es, dass wir alle
Nationalitäten respektieren, kosmo-polit und völlig unpolitisch sind; es ist uns
auch meist wurscht, wie andere aussehen und was sie sonst so machen, denn wenn jemand
gut kocht, kann er gerne in seiner
Freizeit auf dem Friedhof Schwarze Messen feiern, mir egal.

Und genau hier sollten wir ansetzen (nicht am Friedhof),
bei der Persönlichkeit! Keiner von uns kennt jemanden wirklich sofort und wir
sollten Menschen nicht nur nach ihren Noten oder dem Auftreten beurteilen.Traut Euch was,
gebt auch Leuten eine Chance, die vielleicht nicht in Euer Bild passen,
vielleicht werdet Ihr überrascht. Menschen brauchen Zeit, gebt ihnen Vertrauen
und Ihr werdet es zurückbekommen.

Füge Verantwortung
hinzu (nach und nach)

Speziell junge Menschen wollen Verantwortung, gib Ihnen welche und
sieh, wie sie damit umgehen; kleinere Aufgaben, die sie immer wieder selbstständig
durchführen dürfen, dabei die Durchführung kontrollieren, hilf und korrigiere
und geb Feedback, wenn nötig. Aber wir rasten, wenn möglich nicht aus, wenn was in
die Hosen geht, sonst ist er wiederum weg, der Kollege.

Ich rede nicht davon, die Leute weich zu spülen, nur sollte man sie langsam an die Dinge heranführen. (Jetzt denken schon wieder viele von Euch
„Mir ham´s auch nix geschenkt in der Lehre“-

Für alle, die so denken, dann war dein Chef ein Depp!Tut
mir leid für Dich, get over it! Und tue das Richtige!)

Würze mit
Erfolgserlebnissen!

Dann geht es weiter im Programm! Menschen brauchen
Erfolgserlebnisse! Gebt ihnen kleine Projekte und unterstützt sie dabei! Backt
zusammen ein Lebkuchenhaus für die Hotelhalle oder überlegt Euch was anderes
Spannendes. So lernt Ihr Euch besser kennen und schätzen. Und vergesst nicht, Ihr wart auch mal in dieser Situation, also denkt mal zurück, sicherlich gab es
auch bei Euch in der Lehre jemanden, der Euch geholfen oder inspiriert hat, denn
sonst wärt Ihr schon lang nicht mehr in der Branche.

Sprachprobleme verkochen

Sollte ein Sprachproblem vorliegen, gibt es seid Urzeiten
eine totsichere Methode der Kommunikation (Nein, nicht die Sprache der Liebe Ihr Ferkel) Ich spreche davon anzuleiten und, wenn möglich, durch Bilder
abzusichern. Mehrmaliges Vorführen und Wiederholen lassen, mit anschließender
Kontrolle. Hilfreich ist es, wenn Fotos die Arbeitsschritte visuell darstellen.

Kochzeit beachten,
sonst brennt´s an!

Zum Thema Arbeitszeit ist folgendes zu sagen, es liegt an
uns Allen, ob unsere Branche eine Zukunft hat oder nicht. Wir bekommen nur
Arbeitskräfte, wenn wir lernen, ein attraktives Arbeitsumfeld zu
schaffen. Und dazu gehören nun mal die Arbeitszeiten. Einige Kollegen machen hier bereits Werbung mit einer 4 Tage Woche und haben damit eine gute Außenwirkung erzielt. Aber das müsst Ihr selbst entscheiden. Attraktiv muss es sein, sonst macht keiner mehr den Job. Viele Betriebe arbeiten auch schon mit einem Arbeitszeitkonto, so dass man seine Überstunden in Freizeit einlösen kann. Aber dies sind nur Beispiele.Was auch immer möglich ist sollte man versuchen, denn so, wie es bisher in den meisten Läden läuft, so kommen wir nicht weiter, da sind wir uns, glaub ich, Alle einig.

Schrittweise Hitze
erhöhen

Wenn Ihr merkt, dass da noch mehr geht und er langsam Feuer fängt, lasst den Kollegen
ruhig an den Herd und erhöht langsam die Verantwortung. Doch mit Bedacht, nicht
zuviel auf einmal, sonst geht das Schiff schnell unter und gerne auch mal was Nettes
sagen. (Nennt man Lob, tut gut, unbedingt probieren!)

Regelmäßig ruhen
lassen

Wie einen guten Teig sollte man auch nicht vergessen, den
Kollegen regelmäßige Freitage zu geben, klingt banal und selbstverständlich, aber wie wir Alle wissen, ist es nicht!

Probieren und
abschmecken

Wenn Ihr merkt, dass es langsam was wird, gebt Eurem
Mitarbeiter auch mal einen Blick über den Tellerrand hinaus, zeigt ihm, wo die
Produkte herkommen, geht mit ihm Bärlauch pflücken oder sucht mit ihm neue
Produkte auf dem Markt. Zeigt ihm, dass es unendliche Möglichkeiten gibt, dass
man, wenn man Laufen gelernt hat, vielleicht auch lernen kann zu fliegen. Macht ihm auch begreiflich, dass man in unserem Beruf alles erreichen kann, wenn man es wirklich
will.

Abkühlen, Verpacken
und MHD beachten

Nehmen wir an, Ihr habt es wirklich geschafft und vor Euch
steht eines Abends plötzlich ein Koch am Herd. (Ihr werdet merken, wenn es soweit ist), dann
ist es Zeit auch mal abzukühlen und zu akzeptieren, dass das, was jetzt da vor Euch steht, kein Auszubildender oder Hilfskoch mehr ist. Am Besten ist es, wenn Ihr gleich ein Gespräch
mit ihm führt, welche Perspektiven und Möglichkeiten im Unternehmen noch
vorhanden sind. Denn glaubt mir, egal wie gut ihr seid, er hört sich um; das
habt Ihr ja auch.

Und wenn es denn sein soll, dass das MHD abläuft, er nach zwei, drei oder vier Jahren bei Euch ausscheidet, dann helft ihm, damit er weiter gute
Erfahrungen machen kann. So, wie er sie auch bei Euch gemacht hat.

Abschließendes Zum Rezept


Wer dieses Rezept gewissenhaft verfolgt, hat es sicher auch
nicht leichter, denn er muss mit Herzblut und Engagement bei der Sache sein und wird meist auch keinen Dank erhalten.

Aber es hilft auch nicht, auf den
Weißen Ritter zu warten, der uns die Probleme löst, denn wir wissen Alle, der wird
nicht kommen.

Doch ganz im Kleinen können wir alle weiße Ritter sein und unserer Branche einen Schritt weiterhelfen.Wenn
wir nur einem Menschen den Beruf ans Herz legen können, ist das ein Koch mehr
auf der Welt, der sich an die Zeit erinnern wird, als er „gebacken“ wurde und er wird dankbar zurückblicken, wenn irgendwann einmal ein Lehrling vor ihm steht.

`Gib einem Mann einen Fisch und er wird einen Tag satt, lehre ihn zu fischen und Du ernährst ihn ein Leben lang`, ist nicht von mir, ist von
Konfuzius, war zwar kein Koch, aber ich finde, das passt.

Ich glaub, jetzt lass ich Euch mal backen, aber nix anbrennen
lassen,

mit kulinarischen Grüßen,

Euer

Alexander Reiter

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