Hallo Ihr Lieben,
ich stelle mir schon seit einiger Zeit immer wieder die Frage, was denn wirklich in der Gastronomie unter dem Begriff Qualität zu verstehen ist und wie sich diese definiert.
Klar hab ich meine eigenen Standards, durch Jahrzehnte in den Küchen erlernt und geprägt und auch von meiner eigenen Verrücktheit getrieben, wie jeder von uns.
Doch was ist denn für unsere Kunden heutzutage Qualität und warum empfinden sie etwas als hochwertig?
Qualität ist ja schon an und für sich ein sehr inflationär benutzter Begriff und stimmt dann meist nicht mit der Realität überein.
Im gastronomischen Kontext ist Qualität für mich eine Kombination aus allen Eindrücken.
Der Duft am Salzachufer um 02.00 Uhr früh bei der Würstlkönigin in Salzburg und die freudige Erwartung auf eine guade Bratwurst lässt mir bereits das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Der Geschmack eines guten Cappuccino an der Piazza Navona in Rom, inmitten vom vibrierenden Leben der ewigen Stadt, lässt mich eintauchen in die besondere Stimmung und einfach nur genießen.
Das Ambiente eines kleinen Innenhofs in der Altstadt von Barcelona, mit blühenden Orangenbäumen und den kleinen Papageien in den Bäumen machen die Tapas und meinen Wein nochmal so gut.
Erstaunlich oder, wie ich jetzt mit ein paar skizzierten Eindrücken Eure Fantasie beleben konnte und sich jeder von Euch irgendwo wiederfand.
Klar, einem Jedem das Seine, aber klar herauszustellen ist doch, dass Qualität immer mit Stimmungen, Eindrücken und dem Genuss verbunden wird.
Die Kombination macht die Besonderheit aus, oft ausgelöst durch die Überraschung.
Ich will das mal schnell erklären, die gastronomische Überraschung entsteht dann, wenn du der Meinung bist, etwas zu kennen und dies dann auf eine Art und Weise präsentiert bekommst, die Du nicht erwartet hast.
Stichwort bei mir ist hier das Old swiss House in Luzern und jeder von Euch sollte da mal gewesen sein.
Wir alle glauben zu wissen, was ein Schnitzel ist, doch was Ihr dort bekommt, ist eine Offenbarung. Hier wird vor Deinen Augen ein Kalbsschnitzel gewürzt, paniert und gebraten – das vergisst Du Dein Leben lang nicht.. Das beste Schnitzel der Schweiz und niemand, der dort das erste Mal Essen geht, rechnet mit einem derartigen Erlebnis, doch wird er immer wieder kommen.
Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass wir in Bezug auf unser Essen von logischen Entscheidungen geleitet werden. Kein Mensch funktioniert so, und Gott sei Dank ist das auch nicht anders.
Wir sind emotional und triebgesteuert, so herrlich inkonsequent und voller Endorphine, wenn es um unsere Bedürfnisse und vor allem um die Genüsse des Lebens geht.
Genüsse jeglicher Art lösen in unserem Gehirn eine Reihe von Abläufen aus und so hat sich unser Körper oft bereits schon für etwas entschieden, bevor der Geist die entsprechenden Weichen stellt.
Die Herausforderung als Koch, Gastronom oder Produzent ist es, Produkte zu kreieren, mit denen wir uns verbinden können.
Klingt ein bisserl komisch, wenn ich es so schreibe, doch wenn ich nicht das richtige Gefühl bei etwas habe oder die entsprechende Emotionen spüre, ist es für mich meist schon vorbei.
Es ist bei weitem nicht genug das beste Produkt zu haben, denn wenn dies beispielsweise keiner weiß, ist das egal und Ihr werdet nichts verkaufen.
Habt Ihr aber zudem noch den richtigen Ort und die entwaffnende Freundlichkeit der Mitarbeiter, dann sieht das Ganze schon ganz anders aus.
Ist man jetzt noch außergewöhnlich, verrückt oder anders, als alle um einen herum und dabei noch authentisch, dann kann man die Welt in Verzückung versetzten und erschafft Erinnerungen und die Menschen werden immer wieder kommen.
Gute Produkte, gepaart mit einer besonderen Präsentation, getoppt mit einem charmanten Service und unvergesslich gemacht durch ein tolles Ambiente ist für mich die ultimative Definition von Qualität in unserem Bereich.
Doch wie bekomme ich Qualität in meinen Betrieb? Wie entsteht etwas besonders?
Vor einigen Jahrzehnten war die Definition eines guten Restaurants die Anzahl der Speisen auf der Karte und jeder Betrieb hatte 80 und mehr Gerichte, was am Ende des Tages mal mehr mal weniger gut war. Doch war das Qualität oder Quantität?
Oft reicht ein besonderes Gericht, um etwas zu erschaffen, dass den Kunden verzaubert. Ich denke jetzt nicht an Trends a la Bubble Tea und Co.
Ich denke an das wundervolle Speckbrot auf einer Alm bei Sonnenuntergang, das einfach nur noch anders gemacht werden könnte, aber nicht mehr besser und in diesem Moment, an diesem Ort, meine Sinne verzaubert.
An einen fantastischen Räucherfisch oder was auch immer, am richtigen Ort in der richtigen Präsentation.
Qualität liegt oftmals auch verborgen in den kleinen Dingen und es liegt an uns diese hervorzuholen.
Eine besondere Form der Qualität liegt in der Servicequalität. Ist Dein Serviceteam in der Lage zu begeistern, mit einem Lächeln die Welt zum Strahlen zu bringen oder einfach ein Original, dann kommen die Menschen, um diese Servicequalität zu erleben.
Es ist wichtig sich immer wieder zu hinterfragen, auch mal ein Risiko einzugehen und gegebenenfalls daraus zu lernen.
Schwierig für manche, raus aus der Komfortzone, rein in etwas anderes.
Ausgetretene Pfade verlassen und neues probieren. Okay, man wird Lehrgeld bezahlen, aber irgendwann wird man einen neuen Weg finden, der wiederum neue Möglichkeiten und Abzweigungen bietet.
Was ich damit sagen möchte ist, es ist schön, wenn Jahrelang der USP der Schweinebraten ist, doch hilft mir das nicht viel, wenn meine Kunden diesen nicht mehr konsumieren oder sich einfach das Umfeld geändert hat.
Wir müssen von Zeit zu Zeit auch uns selbst neu entdecken, um andere begeistern zu können
Qualität definiert sich durch Wandel. Wollen wir langfrististig in der Gastronomie erfolgreich sein, so müssen wir mit der Zeit gehen, denn sonst gehen wir mit der Zeit!
Wir müssen lernen uns anzupassen, Veganer und Vegetarier sind längst keine Randgruppe mehr und Quinoa kein Urlaubsort.
Alles, was als hochwertig angesehen wird, ändert sich stetig in kleinen Schritten, erfindet sich immer wieder neu und wandelt sich. Oft unmerklich, doch stets in Bewegung.
Es liegt in und an uns Grenzen zu testen, herauszufinden, was es ist, was der Kunde sich wünscht oder was es schlichtweg noch nicht auf dem Markt gibt.
Ich glaube, Qualität ist ein stetiger Prozess. Viele Köche werden dies jetzt verstehen, denn obwohl wir ein Gericht kreiert haben, die Standards stetig weiterentwickeln, penibel auf die Waren achten und es in kleinen Nuancen anpassen, kommt irgendwann der Punkt, an dem auch dieses über die Jahre liebgewonnene Gericht gehen muss, um Platz für etwas neues zu machen.
Bin ich in der heutigen Zeit gewöhnlich und habe ich keine nennenswerten Qualitäten, die meine Kunden oder Gäste begeistern, muss ich mich ändern oder es verändert sich einiges für mich.
Betriebssterben hin und her, ein Lokal zu eröffnen und zu warten, bis die Gäste kommen, hat noch nie funktioniert, doch mussten wir vielleicht auch noch nie so auf unsere Außenwirkung achten.
Es stellt sich immer die Frage, was sind Deine Qualitäten und was macht Deinen Betrieb aus.
Während der letzten Jahre habe ich vielen Unternehmern die Frage gestellt, was ihre Betriebe ausmacht. Was sind ihre Qualitäten? Was ist das Besondere an ihren Speisen?
Ihr könnt Euch vorstellen, oft war da nur Leere in den Augen, denn man hatte den Weg und die Vision schon lange vergessen, noch nie gehabt oder ist einfach immer auf dem ausgetretenen Pfad geblieben und stur weitergelaufen.
Was ist Qualität? Dies ist eine Frage, die uns und unser Umfeld definiert und mit der man sich ernsthaft beschäftigen sollte.
Ich glaube auch, dass sich das Gute und Besondere nur zeigt, wenn wir uns auf den Weg machen, ein Ziel definieren und gemeinsam daran arbeiten.
In jedem von uns steckt diese Kraft, die Qualitäten entstehen lassen kann. Nehmt Euch die Zeit, sprecht mit Kollegen und Mitarbeitern, setzt Euch an einen Tisch, weit weg vom Alltag und beginnt gemeinsam Euren Weg hin zu etwas besonderem.
Hin zu Eurem speziellen, einzigartigen Service und der Speisenqualität und glaubt mir, die Gäste werden kommen.
Ich wünsche Euch einen wundervollen und sonnigen Frühling,
bleibt´s brav, hungrig und kreativ,
Euer
Alexander Reiter